Sogar im deutschen Arbeitsrecht nimmt der Begriff „Vertrauen“ eine prominente Rolle ein; sei es als Basis der Zusammenwirkens von Arbeitnehmer- und Arbeitnehmervertretung (BetrVG, §2(1))oder bei einer festzustellenden schwerwiegenden „Störung“ des Vertrauens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung (siehe KSchG).
Gilbert (2003, S. 151) betrachtet den Vertrauensbegriff strukturationstheoretisch (aus der Sozialtheorie kommend) und stellt die Bestimmungsmerkmale des Vertrauens wie folgt dar:
Er stellt die Rolle von Vertrauen zur Unsicherheitsreduktion klar und benennt Zutrauen und Vertrautheit als Voraussetzungen des Vertrauens. Auch weist es darauf hin, daß Vertrauen nicht nur Personen, sondern auch Systeme (und damit auch Organisationen) entgegengebracht werden kann.
Nach Mayer, Davis und Schoorman (1995) ist für das Entstehen von Vertrauen die sogenannte Vertrauenswürdigkeit einer Person entscheidend. Diese bestimmt, in welche „Vorleistung“ der Handelnde gegenüber anderen gehe, die ihn möglicherweise verletzlich oder angreifbar macht.
Was wiederum beeinflusst, ob ich meinen Gegenüber, die Führungskraft oder den Mitarbeiter, für vertrauenswürdig halte? Drei Faktoren benennt die Forschung als entscheidend:
- Die zugeschriebene Kompetenz des Gegenüber (Wie kompetent und handlungsfähig wird dieser erlebt? Tut er das, was nötig und richtig ist?)
- Die zugeschriebene Integrität des Gegenüber (Wie fair, aufrichtig und konsistent verhält dieser sich? Sagt dieser die Wahrheit? Hält dieser Zusagen und Versprechen ein?)
- Das zugeschriebenen Wohlwollen des Gegenüber (Wie wohl gesonnen und unterstützend erlebe ich diesen? Sind die Interessen des Gegenübers an mir uneigennützig?)
Alle drei Faktoren beeinflussen also positiv die Bereitschaft, Vertrauen entgegenzubringen. Mit einem gestiegenen Vertrauen erhöht sich dann die Wahrscheinlichkeit Risiken in der Beziehung (hier in der beruflichen Interaktion mit dem Gegenüber) einzugehen. Risiken eingehen meint hier bspw. ein Sich-öffnen des Mitarbeiters oder der Führungskraft im Sinne der Selbstoffenbarung und des sich damit verletzlich machen. (In letzter Zeit wird von Managementberatern sogar explizit Verletzlichkeit zu zeigen von Managern gefordert, um das Vertrauen der Mitarbeiter in sie zu stärken.) Entscheidend ist aber zusätzlich, welche Lernerfahrungen eine Person gemacht hat: Welche Konsequenzen hatte es, ein Risiko einzugehen? (im o.a. Modell als Ergebnis bezeichnet).
Diesen Faktor könnte man mit dem - in anderen Modellen zum Vertrauen (bspw. McKnight & Chervany, 2000) eingeführten - Begriff der Vorhersagbarkeit beschreiben, oder auch mit dem eher in der Philosophie als in der Psychologie verwendeten Terminus der Wahrhaftigkeit. (Nach Immanuel Kant steht mit der Wahrheit zugleich die Würde des jeweils anderen auf dem Spiel.)
So wird ein Mitarbeiter beim Wechsel der Führungskraft, der mit seiner bisherigen Führungskraft gemischte oder gar rein negative Erfahrung bezüglich dessen Vertrauenswürdigkeit oder Wahrhaftigkeit gemacht hat, deutlich langsamer oder weniger Vertrauensbereitschaft zu einem neuen Manager aufbauen. Und zwar unabhängig davon, ob dieser vom Mitarbeiter durchaus als grundsätzlich wohlwollend, integer und auch als kompetent wahrgenommen wird.
Weiterhin können natürlich selektive Wahrnehmungen und ein positives bzw. negatives Menschenbild gegenüber anderen Personen den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen beeinflussen.
Insbesondere Führungskräfte können und sollten sich anhand des vorgestellten Modells vergegenwärtigen, wie sie durch ihre wahrgenommene Kompetenz, Integrität und Wohlwollen den Aufbau von Vertrauensbereitschaft ihrer Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzten beeinflussen.